Inside MRO - Blog-Serie Teil 2
Im ersten Beitrag der Serie Inside MRO: Lessons from the Frontlines of Spare Parts Strategy sind wir Andrew Jordans Weg in die Welt der Ersatzteile nachgegangen und haben eine der größten strukturellen Schwächen im MRO-Bereich beleuchtet: mangelhafte Stammdaten. Im zweiten Teil richten wir den Blick auf ein tieferliegendes Problem im Ersatzteillager-Management - ein Problem weniger technischer Natur, aber ebenso folgenreich: die Unternehmenskultur.
Jordan betont, dass Bestandssysteme für Ersatzteile oft nicht an fehlenden Tools oder mangelndem Wissen scheitern, sondern an fehlender Priorisierung. Die Art und Weise, wie Unternehmen Rollen im Ersatzteillager-Management wahrnehmen und strukturieren, hat langfristige Folgen – nicht nur für die Verfügbarkeit von Teilen, sondern auch für die Anlagenleistung, Ausfallzeiten und vor allem für die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter.
Eine ‘karrierehemmende’ Wahl
Eines der deutlichsten Anzeichen für die Marginalisierung von MRO ist die geringe Wertschätzung von Positionen in der Ersatzteilverwaltung innerhalb der übergeordneten Supply-Chain-Strukturen. Nachwuchskräfte finden diese Positionen selten strategisch oder karrierefördernd. Und genau darin, so Jordan, liegt ein Teil des Problems.
„Wenn ich als Berufseinsteiger in der Supply Chain die Wahl zwischen der Planung für Fertigwaren und der Arbeit im Ersatzteillager habe, fällt die Entscheidung leicht. Besonders wenn ich beruflich vorankommen möchte.“
Das Ersatzteillager-Management wird nur selten als Karriereweg mit Entwicklungspotenzial gesehen. Deshalb landen in diesem Bereich häufig Mitarbeiter, die am Ende ihrer Laufbahn stehen. Das Wissen und die Erfahrung, die sie mitbringen, sind von unschätzbarem Wert. Das misst sich aber auch daran, dass der Arbeitsalltag oft auf „weitergegebenem Wissen“ und nicht auf stabilen, strukturierten Systemen des Unternehmens basiert. Die Konsistenz stützt sich auf persönliches Erfahrungswissen, das selten dokumentiert wird. Dadurch wird es schwierig, den Aufgabenbereich weiterzuentwickeln. Das führt zu einer Kultur der reinen Instandhaltung statt einer Kultur echter Weiterentwicklung. Initiativen zur Optimierung der Lagerprozesse fehlen häufig und bewährte Methoden für das Ersatzteilmanagement sind kaum vorhanden.
Ersatzteillager-Management: Die verborgenen Kosten fehlender Wertschätzung
Die Ausgrenzung von MRO-Positionen hat spürbare Folgen für das Unternehmen. Weil Aufgaben im Ersatzteillager-Management nicht als strategisch betrachtet werden, sind sie häufig unterfinanziert, werden kaum analysiert und sind schlecht in die übergeordnete Supply-Chain-Strategie eingebunden. Das erzeugt eine sich selbst verstärkende Dynamik: Geringe Sichtbarkeit führt zu geringen Investitionen, daraus resultieren schwache Ergebnisse, die wiederum die anhaltende Vernachlässigung rechtfertigen.
Jordan betont, wie wichtig ein grundlegender Wandel in der Denkweise ist. Ersatzteillager-Management bedeutet nicht einfach nur, Regale zu befüllen. Es geht darum, Anlagenverfügbarkeit zu sichern, Werte zu schützen und Investitionen zu erhalten.
„Wenn man sich die Ursachen für Ausfallzeiten bei laufenden Anlagen anschaut … sind zwischen 20 und 40 Prozent der Arbeitsaufträge offen, weil Teile nicht verfügbar sind.“
Das sind keine kleinen Ineffizienzen, sondern echte Risiken. Und sie haben alle dieselbe Ursache: Ersatzteile werden nicht als das essenzielle Betriebsmittel behandelt, das sie in Wahrheit sind.
Bestandssysteme für Ersatzteile: Ein Teufelskreis im Lager
Die kulturellen Probleme zeigen sich auch in der alltäglichen Praxis der Entscheidungsfindung im Ersatzteillager. Jordan nennt ein Beispiel: Eine Person aus dem Instandhaltungsteam, frustriert von jahrelangen Fehlbeständen, wird ins Lager versetzt. Ihr erster Impuls?
„Sie werden alles bestellen. Ich habe sieben Transformatoren, also brauche ich sieben von diesen Reparatursätzen … Wir werden nie wieder einen Fehlbestand haben.“
Das Ergebnis ist absehbar: überfüllte Lager, steigende Lagerhaltungskosten und nachlassende Leistung. Und weil das Ersatzteillager-Management nicht als strategisch relevanter Bereich wahrgenommen wird, bleiben solche Verhaltensweisen oft unbeachtet.
Den Status Quo verändern
Jordan ist überzeugt, dass es mehr braucht als bessere Werkzeuge, um diesen Trend umzukehren. Es braucht den Mut zur Veränderung in der Organisation. Um die Abläufe im Ersatzteillager zu verbessern, müssen Unternehmen erkennen, dass Aufgaben im Ersatzteilbereich die gleiche Aufmerksamkeit, die gleichen Ressourcen und das gleiche Maß an Fachkompetenz verdienen wie andere Bereiche der Supply Chain. Der erste Schritt ist, Führungskräfte und Planer für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen entlang der Prozesskette zu sensibilisieren.
„Die Menschen sind stark auf das Tagesgeschäft fokussiert … aber sie erlangen keinen ausreichenden Überblick darüber, wie sich ihre Handlungen auf die Organisation auswirken.“
Mit anderen Worten: Bewusstsein schafft Verantwortlichkeit. Und Verantwortlichkeit ebnet den Weg für bessere Entscheidungen, stabilere Abläufe und letztlich stärkere Geschäftsergebnisse.
Ersatzteillager-Management: Von der Wartung zum Mindset
Im Kern ist es eine Frage der Haltung. Ersatzteile gelten als unspektakulär. Sie schaffen keine Schlagzeilen. Aber sie sind entscheidend. Sie stehen zwischen Betriebszeit und Stillstand, zwischen Produktion und Verzögerung. Genau deshalb sollten sie als strategische Priorität behandelt werden.
„Gerade das, was ich daran spannend finde, ist oft der Grund, warum andere es meiden.“
Demnächst: Wie gutes MRO-Management in der Praxis aussieht
In Teil 3 der Inside MRO-Serie wechseln wir von der kulturellen Kritik zur erstklassigen Umsetzung und stellen Best Practices für das Ersatzteillager-Management vor. Andrew Jordan wird reale Beispiele von Organisationen teilen, die es richtig gemacht haben – und aufzeigen, was andere aus ihrem Umgang mit Governance, Datenmanagement und langfristiger Planung im Ersatzteilbereich lernen können.
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