Veröffentlicht am
28. Dezember 2020
Lesezeit
9 Minuten

Das Ersatzteilmanagement ist ein komplexer Geschäftsprozes. Es erfordert eine ständige Gratwanderung zwischen der Beschaffung eines wichtigen Ersatzteils genau zum richtigen Zeitpunkt (zur Minimierung von Ausfallzeiten) und dem Versuch, den Lagerbestandswert möglichst niedrig zu halten (zur Minimierung der Bevorratungskosten).

Darüber hinaus ist die Optimierung des Ersatzteilmanagements eine herausfordernde Aufgabe, da Sie auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten beruht. Insbesondere bei Ersatzteilen, die für den Geschäftsbetrieb kritisch sind, ist es wichtig, die Wahrscheinlichkeit errechnen zu können, mit der Sie zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt ein ganz bestimmtes Ersatzteil für eine ganz bestimmte Maschine benötigen werden. Genau herauszufinden, wie hoch diese Wahrscheinlichkeit sein könnte, stellt für viele Unternehmen eine kaum lösbare Herausforderung dar.  

Um diese Herausforderung zu bewältigen, ist das sogenannte Pooling die wirkungsvollste Methode. Denn laut der Wahrscheinlichkeitsforschung ist es schwierig, ohne oder mit nur wenigen Daten vorauszusagen, wann ein Ersatzteil benötigt werden könnte. Mit einem Pooling von Angebot und Nachfrage erlangen alle Beteiligten Zugriff auf mehr Daten und gleichzeitig mehr Ersatzteile. Dies ermöglicht Ihnen, Ihr Ersatzteilmanagement zu optimieren und somit die Chance zu erhöhen, die Wahrscheinlichkeiten korrekt vorauszusagen. Im Vergleich zu anderen Systemen ist das Pooling viel kosteneffizienter und relativ einfach zu implementieren. Es ist jedoch nicht so weit verbreitet, wie man meinen könnte. Dabei verpassen Unternehmen, die nicht mit Pooling arbeiten, eine riesige Chance. Im Folgenden erklären wir genauer, warum Pooling so interessant ist und wie es funktioniert.


Was ist Ersatzteilpooling?

Ersatzteilpooling bedeutet, dass mehrere interessierte Parteien Zugriff auf einen gemeinschaftlichen Pool (Bestand an Ersatzteilen) erhalten. Dies kann beispielsweise durch eine digitale Plattform wie etwa ein Marketplace-System erfolgen. Es wird oft angenommen, dass Pooling nur intern stattfindet, doch es gibt folgende verschiedene Ebenen innerhalb des Poolings:  

Internes Pooling: Hierbei werden die Ersatzteile all Ihrer Unternehmensstandorte in einem virtuellen oder physisch realen Lagerraum zusammengefasst. Auf diese Weise kann jeder innerhalb des Unternehmens, der ein Ersatzteil benötigt, darauf jederzeit intern zugreifen. Internes Pooling kann auf drei verschiedene Arten organisiert werden:

  1. Zentrales internes Pooling: Dabei werden alle Teile zentral gelagert und auf Anfrage ausgeliefert.
  2. Internes Pooling an mehreren Standorten: Dabei werden die meisten Ersatzteile nur am Hauptstandort und einige wenige wichtige Teile an mehreren Unternehmensstandorten gelagert.
  3. Internes Poolingnetzwerk: Dabei werden die Bestände aus verschiedenen Standorten erfasst, ohne dass eine zentrale Lagerung stattfindet.

Externes Pooling: Hier werden die Ersatzteilbestände mehrerer Unternehmen zu einem Ersatzteilpool zusammengefasst und den Poolingpartnern, wie zum Beispiel ähnlichen Unternehmen, Ersatzteilzulieferern oder Maschinenbauunternehmen, der Zugriff auf den gemeinsamen Ersatzteilbestand ermöglicht. Die Kooperationspartner fungieren dabei entweder nur als Ersatzteilverkäufer oder aber auch als Ersatzteilkäufer. Die verschiedenen Arten des externen Poolings sind wie folgt untergliedert:  

  1. Kooperatives Bestandspooling: Dabei kennen die Partner die jeweiligen Bestände und stimmen zu, Ressourcen miteinander zu teilen. Ein Beispiel ist der IATP - International Airlines Technical Pool  ein Pool von mehr als 100 Fluggesellschaften, die Flugzeugbergungskits, Flugzeugteile und Werkzeuge, Bodenabfertigungsgeräte und sogar Arbeitskräfte oder Einrichtungen gemeinschaftlich nutzen.
  2. Offenes Bestandspooling: Bei dieser Art Pooling erfolgen Nachfrage und Austausch von Ersatzteilen anonym, so dass sogar Wettbewerber Bedarfe an Ersatzteilen anmelden können. Dies entspricht auch der Funktionsweise von Sparrow: Wir ermöglichen Ihnen, Ersatzteile von allen Anbietern in Ihrer Nähe zu beziehen.

Pooling: So optimieren Sie Ihr Ersatzteilmanagement

Was sind die Hauptvorteile des Poolings?

1) Gebündelte Nachfrage 

Einer der Hauptvorteile des Poolings ist, dass die Nachfrage zentral an einer Stelle gebündelt wird. Für Ersatzteile ist dies besonders nützlich, weil der Bedarf auf Wahrscheinlichkeiten basiert und diese stochastisch ist. Das bedeutet, dass Sie fast immer mehr Ersatzteile auf Lager haben, als Sie jemals brauchen werden - gleichzeitig aber nie genug Ersatzteile für ungewöhnliche Situationen bereitliegen. Das folgende Beispiel verdeutlicht dieses Problem:  

Auf der einen Seite können Sie auch mit dem besten Vorhersagemodell nie wissen, wann Sie ein Teil tatsächlich brauchen werden. So gehen Sie womöglich davon aus, dass Sie ein bestimmtes Teil durchschnittlich nur alle zwei Jahre brauchen werden und dann brauchen Sie plötzlich fünf Stück von ebendiesem Teil gleichzeitig. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie genau fünf Stück genau an dem Standort verfügbar haben, an dem die Maschine ausfällt, ist sehr gering, so dass Sie immer anfällig für unangenehme Überraschungen sein werden.  

Auf der anderen Seite haben Sie höchstwahrscheinlich mehr Ersatzteile in Ihrem Lager als Sie tatsächlich brauchen. Lassen Sie uns annehmen, die Wahrscheinlichkeit des Motorstillstands einer Ihrer Maschinen beträgt ca. 2 Prozent. Sollten Sie 20 Maschinen besitzen, können Sie aber nicht 0,4 Motoren auf Lager haben, sondern nur einen. Aber das sind 0,6 Motoren mehr als Sie tatsächlich brauchen!

Kooperatives Ersatzteilpooling ermöglicht Ihnen, die Nachfrage auf mehrere Schultern zu verteilen. Anstatt jedes Unternehmen einen Motor (mehr als rechnerisch notwendig) lagert, bevorraten zwei Unternehmen einen (genau die Menge, die beide gemeinsam durchschnittlich von diesem Ersatzteil benötigen). Wenn Sie dies auf alle Maschinen in Ihrer Fabrik bzw. alle Fabriken des Pools ausweiten, kann jeder Kooperationspartner weniger Ersatzteile vorrätig halten, weil gemeinsam die optimale Anzahl von Teilen pro Anzahl der vom Pool abgedeckten Maschinen erreicht wird.  

2) Angebotsbündelung

Auf der Angebotsseite sind Sie durch das Pooling auch auf unvorhersehbare, sehr selten auftretende Ereignisse vorbereitet. In der Ersatzteilbranche wäre ein Beispiel dafür ein zweiter Motor, den Sie plötzlich benötigen, während Sie auf die Lieferung eines baugleichen Modells warten (die in der Regel Wochen oder Monate dauert). Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass dies passiert, auszuschließen ist es trotzdem nicht. Können Sie schneller auf Ersatzteile zugreifen, ob mithilfe eines internen oder externen Pools, ist es unwahrscheinlicher, dass diese unvorhersehbaren Ereignisse den reibungslosen Betrieb Ihres Unternehmens gefährden. Ob beim Bestandspooling innerhalb Ihres Unternehmens oder zwischen den Kooperationspartnern, die Effizienz des Ersatzteilmanagements erhöht sich über die gesamte Lieferkette hinweg. Firmen, die Ersatzteile benötigen, können auf die in der Nähe verfügbaren Teile zugreifen, und Ersatzteilverkäufer erreichen eine größere Kundenzahl,lokal, regional und global.

3) Beschaffungsbündelung

Pooling macht den Weg für gebündelte Beschaffung frei. Warum? Weil Pooling zu besseren Daten führt, und bessere Daten zu besserer Planung.  

In der Regel kaufen Unternehmen bei den gleichen lokalen Herstellern ein und zahlen eventuell höhere Preise, um ein Ersatzteil von dem Zulieferer zu erhalten, den sie am besten kennen. Dies wird oft in Kauf genommen, denn die Ausfallzeit von Maschinen ist generell kostenintensiv und die Unternehmen können häufig nicht einfach auf andere Anbieter zugreifen.

Bei diesem typischen Prozess der Ersatzteilbeschaffung haben die Verantwortlichen keinen Zugriff auf einen Ersatzteilkatalog, der verschiedene Anbieter enthält. Das bedeutet wiederum, dass sie kaum Preisvergleiche anstellen oder ihre Einkaufsmacht erhöhen können. 

Beim Pooling hingegen erhalten Sie Zugriff zu mehr Daten bezüglich der Verfügbarkeit, des Standort und der Nachfrage von Ersatzteilen; sowohl innerhalb Ihres gesamten Unternehmens als auch ausgeweitet auf alle Kooperationspartner. Dieses Verfahren macht die gesamte Lieferkette transparenter und sorgt für Wettbewerb zwischen den Anbietern. Das Ergebnis? Die Beschaffung von Ersatzteilen wird deutlich einfacher und günstiger, während Zulieferer von einem komplett neuen Kundenstamm profitieren.  

4) Stabilität und Resilienz der Lieferkette

Das unvorhersehbare Ereignis des Jahres 2020 war natürlich COVID-19. Als die Pandemie zu Beginn des Jahres ausbrach, die Bedeutung der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette in den Vordergrund. Doch bereits lange bevor die Pandemie Märkte und Menschen fest im Griff hatte, war Resilienz ein wichtiges Thema. Denn beinahe jedes Weihnachten leidet die Lieferkette unter einer großen Belastung, so groß, dass 2017 US-Zeitungen davon sprachen, dass Lieferverzögerungen "Weihnachten zu ruinieren" drohten. 

Auch politische Veränderungen wie der Brexit haben jetzt (und auch in Zukunft) große Auswirkungen auf internationale Lieferketten. Darüber hinaus ist in manchen Ländern mit historisch undurchsichtigen Abläufen in Zoll und Verwaltung (wie China oder Russland) die Beschaffung von Ersatzteilen eine immense Herausforderung.  

Welchen Beitrag kann das Pooling leisten, um die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette zu verbessern? Bei Unterbrechungen in der Lieferkette, wie in der Coronapandemie, über einen Ersatzteilpool zu verfügen, ist im übertragenen Sinne so, als hätte Ihr Unternehmen ein einwandfrei funktionierendes Immunsystem. Als Bevorrater von Ersatzteilen (also als Maschinenbetreiber) haben Sie beim Ausfall anderer Lieferanten noch zur Sicherheit eine zweite Lieferkette von lokalen Versorgern und intern gelagertem Bestand zur Verfügung. Darüber hinaus machen große externe Bestandspools, die ganze Industriezweige (und damit ganze Bereiche der Lieferkette) abdecken, die gesamte Lieferkette krisenfester und ermöglichen Unternehmen, Ressourcen zu teilen und insgesamt besser zu planen, um Worst-Case-Szenarien vorzubeugen. Im Fall von Ereignissen, wie dem Brexit und in Ländern, in denen sich die Beschaffung aus dem Ausland als schwierig erweist, kann ein Bestandspool im eigenen Land höhere Stabilität für die gesamte Branche und für die inländische Wirtschaft bedeuten.  

5) Freisetzung von Betriebskapital

Einfach gesagt erhöht sich Ihre Effizienz drastisch, wenn Sie sowohl Angebot als auch Nachfrage mit Ersatzteilpooling regeln. Sowohl unsere eigene Erfahrung, als auch die Wissenschaft zeigen, dass diese erhöhte Effizienz automatisch große Kosteneinsparungen mit sich bringt. So wurden in einer Studie von Frank Karsten und Rob Basten aus dem Jahr 2014 durch das Pooling mögliche jährliche Einsparungen von 44 % berechnet. Daraus lässt sich schließen, dass dank Pooling Ihr Betriebskapital sehr viel effizienter genutzt werden kann als mit anderen Ersatzteilmanagement-Methoden.  

6) Vermeidung von Verschrottung

Beobachter und politische Entscheidungsträger sehen einen „grünen Aufschwung“ als Allheilmittel für gleich zwei globale Krisen: den Klimawandel und die COVID-19-Pandemie. Daraus folgt, dass im kommenden Jahrzehnt die Reduzierung von Abfall im Mittelpunkt von Unternehmen stehen wird, nicht zuletzt aufgrund der finanziellen Anreize und Bestimmungen des von der EU aufgesetzten „Green Deal“. Abfallreduzierung ist ebenfalls ein positiver Nebeneffekt des Pooling, da die Bündelung von Angebot und Nachfrage dazu führt, dass weniger Teile gelagert werden und die gelagerten Teile häufiger genutzt werden. Das hat wiederum zur Folge, dass weniger Ersatzteile obsolet oder zerstört werden. Warum zerstört? Ersatzteile haben nur eine begrenzte Lagerfähigkeit. So sind Elektronikbauteile nach ein bis zwei Jahren Lagerung nicht mehr nutzbar, Förderbänder bereits nach fünf bis sieben Jahren. Allein durch die Tatsache, dass Sie Ersatzteile lagern, geben Sie unnötig Geld aus und verbrauchen unnötig Ressourcen. Werden Ersatzteile jedoch kontinuierlich umgeschlagen, kann das sogar bedeuten, dass Sie für bislang ungenutzte Teile bezahlt werden und der Gesamtverbrauch in Ihrer Branche sinkt, denn weniger Teile werden beschafft und auch weniger verschrottet. 

Pooling: das Allheilmittel im Ersatzteilmanagement

Pooling ist beim Ersatzteilmanagement eine universell einsetzbare Lösung. Egal ob Sie im Kleinen mit einem unternehmensinternen Pool beginnen oder gleich groß denken, indem Sie einem externen Bestandspool mit mehreren Akteuren der Lieferkette beitreten: Durch Pooling erhalten Sie Zugang zu einem sinnvollen Ersatzteilmanagementsystem, mit dem Sie Zeit und Geld sparen und das Ihnen gleichzeitig ermöglicht, sich Ersatzteile zu beschaffen, wann und wo immer Sie diese benötigen. Damit helfen Sie nicht nur Ihrem eigenen Unternehmen, denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Pooling die beste Option für die bessere Funktionsweise und Resilienz der gesamten Lieferkette ist. In den unsicheren Zeiten, in denen wir uns befinden, ist dies wichtiger denn je. 

In unserem nächsten Artikel wird es um die Zukunft des Ersatzteilmanagements gehen. Schauen Sie gerne hier vorbei und lernen Sie mehr über wissenschaftsbasierte Tatsachen im Bereich Ersatzteile!